Selbsthilfegruppen sind ein mächtiges Instrument in der Bewältigung von gesundheitlichen und sozialen Problemen. Der Name ist Programm, denn in der Selbsthilfegruppe finden sich Menschen zusammen, die sich in einer gleichartig problematischen Lebenssituation (in der Fachsprache: Problembetroffenheit) gegenseitig selbst helfen wollen – außerhalb ihrer alltäglichen Beziehungen in Familie, Freundeskreis und Beruf. Das Konzept ist hoher Ehren wert, denn es bedeutet auch ehrenamtliches Engagement, Verantwortung und gegenseitiges Ein- und Beistehen, ohne anderen zur Last zu fallen.
Dennoch haben Selbsthilfegruppen einige Akzeptanz-, Nachwuchs- und Imageprobleme. So hat die Hälfte der an einer Befragung teilnehmenden Selbsthilfegruppen Schwierigkeiten, neue Mitglieder zu finden. Viele Menschen wissen auch einfach zu wenig über die Ziele und Mechanismen von Selbsthilfegruppen, wie eine Erhebung der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen NAKOS unter Studenten und Berufsschülern in den Fachrichtungen Soziale Arbeit, Sozialwesen und Gesundheitsberufe (!) ergab. Manche der Befragten hielten Selbsthilfegruppen sogar für eine mit Zwang verbundene Therapieform (S. 134 der NAKOS-Studie). Aus den fehlenden Kenntnissen resultiert auch ein etwas unvorteilhaftes Image, welches laut NAKOS daraus resultieren könnte, dass die „Kenntnisse“ über Selbsthilfegruppen mehrheitlich aus Fernsehen und Kino, insbesondere aus US-amerikanischen Serien stammen.
Solche Wissensdefizite und Vorurteile möchte NAKOS abbauen. Im Rahmen des Projekts www.schon-mal-an-selbsthilfegruppen-gedacht.de entstand „Vielen Dank für das Gespräch“, ein kluger kleiner Film über die Macht des Gesprächs in einer Selbsthilfegruppe.
In nur 5 Minuten verdeutlicht er die Ziele und Stärken von Selbsthilfegruppen. Das gelingt ihm ganz ohne Text und Sprache, was für einen Film über die Macht des Gesprächs schon erstaunlich ist. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein junger Mann (Harry) erhält im Krankenhaus eine offenbar lebensbedrohliche Diagnose. Die daraus erwachsenden Ängste visualisiert der Film mit einem grünen Monster. Je größer Harrys Angst und Resignation werden, umso größer, fetter, aggressiver und besitzergreifender wird das Monster – bis es ich nicht mehr nur verfolgt, sondern anfängt, ihn zu lenken – schmerzlich visualisiert durch Tritte des Monsters in Harrys Hintern.
Der Film zeigt diese Entwicklung in sehr reduzierten computeranimierten Bildern. Und dennoch spürt der Zuschauer jederzeit Harrys Ohnmacht ebenso wie die Macht des Monsters – und umgekehrt! Besonders deutlich wird das auch in einer Szene, in der Harry sein Krankheitsbild „googelt“. Die schlechten Nachrichten sind natürlich Kraftfutter für Harrys Monster.
Diesen Kreislauf durchbricht Harry erst, als er per Zufall in eine Selbsthilfegruppe gerät. Je besser er lernt, über sein Problem zu sprechen, umso kleiner und ohnmächtiger wird das Monster. Die Stärke des Films liegt darin, keine unrealistischen Versprechungen zu machen. Die Botschaft lautet: Das Problem verschwindet nicht, aber es verliert seine Macht, Harrys Leben zu dominieren. Verantwortlich für Idee und Konzeption des Films sind Anette Jung, Ruth Pons und Miriam Walter.
Ruth Pons vertieft im Gespräch noch einmal die zentralen Botschaften des Films: Selbsthilfegruppen helfen zu lernen, mit einem Problem zu leben. Ihr Ziel ist es also nicht, das primäre Problem zu lösen. In der Gruppe können Betroffene mit anderen Menschen sprechen, ohne verurteilt zu werden. Und auch die Monster haben Probleme!
Der Film beschränkt sich bewusst auf die Thematisierung von Gesundheitsproblemen, um den inhaltlichen Bogen nicht zu weit zu spannen. Seine Botschaften gelten jedoch ebenso für die Bewältigung sozialer und anderer Probleme.
Link: Ergebnisse einer NAKOS Befragung von jungen Menschen in Studium und Ausbildung zu Selbsthilfegruppen
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