In den letzten Monaten wurde in Deutschland kontrovers über die Krebsvorsorge diskutiert. Während es dabei überwiegend um die Brustkrebsvorsorge und hierbei lediglich um eine von mehreren Untersuchungsmethoden ging (die Mammographie), entstand bei vielen Menschen der Eindruck, dass die Krebsvorsorge insgesamt auf dem Prüfstand stünde. Dieser Eindruck ist nicht nur falsch, er ist auch gefährlich.
Als Leiterin eines onkologischen Zentrums beschäftige ich mich jeden Tag mit Prävention und Früherkennung. Deren grundlegendes Ziel ist es, eine Krebserkrankung zu entdecken, bevor sie durch Symptome und Beschwerden erkennbar wird. Unser Beitragsbild verdeutlicht die Zielstellung von Prävention und Früherkennung. Der rote Punkt auf dem linken Ball symbolisiert die Größe eines kleinen Tumors, der frühzeitig entdeckt wird. Rechts kann man sehen, wie groß ein Tumor in der Brust werden kann – mit der Folge erheblich schlechterer Behandlungschancen. Vorsorge ist Voraussetzung für das frühzeitige Erkennen von Veränderungen und damit für deutlich bessere Chancen auf Heilung.
Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen, denn in Deutschland erkranken allein an Brustkrebs jedes Jahr mehr als 75.000 Frauen und Männer, gegenüber 2010 ist dies ein Anstieg um fast 7 Prozent in nur vier Jahren!
Es ist wissenschaftlich unbestritten, dass eine frühzeitige Diagnose zu besseren Langzeitergebnissen führt und hilft, zusätzliche Schäden zu vermeiden. Dieser Zusammenhang ist durch klinische Studien bei Brust- und Darmkrebs belegt.
Insbesondere für die Brustkrebsvorsorge gibt es mehrere Optionen. Aufgrund ihrer Lage ist die Brust sehr leicht abzutasten, es bietet sich sogar eine Selbstuntersuchung der Frau an, bspw. im Rahmen der MammaCare-Methode. Die Brustselbstuntersuchung wird in einigen Ländern, bspw. den USA, bereits ab 20 Jahren empfohlen. Eine weitere Früherkennungsmethode ist die Mammographie. In Deutschland sieht der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen eine Mammographie erst ab einem Alter von 50 bis 69 Jahren vor, sofern nicht konkrete Beschwerden, ein Verdacht auf einen krankhaften Befund oder ein hohes Risiko vorliegt.
Das Mammographie-Screening in Deutschland unterscheidet sich von Ländern wie Italien und den USA. In Italien bspw. wird die Vorsorgeuntersuchung immer auch mit einem Arztgespräch verbunden. Der Arzt hat somit die Chance, das individuelle Risiko anhand einer eingehenden Anamnese sowie einer Beurteilung der familiären Belastungen zu erkennen und die Vorsorgemaßnahmen individuell auf die Frauen abzustimmen.
Viele Experten halten auch die Altersgrenze ab 50 Jahren für zu hoch. So zeigt die Statistik, dass jede zehnte an Brustkrebs erkrankte Frau zum Zeitpunkt der Diagnose jünger ist als 45 Jahre (2010).
In Ländern, die Screening-Strategien konsequent umsetzen, zeigen klinische Beobachtungen praktizierender Onkologen und Chirurgen eine positive Bilanz. Sie ermöglichten mehr Frühdiagnosen, mehr brusterhaltende Therapien und bessere Überlebenschancen. Das Robert Koch Institut kam im Dezember 2013 auch für Deutschland in der Beurteilung des 2005 eingeführten Mammographie-Screenings zu einem überwiegend positiven Fazit**.
In bestimmen Fällen ist auch eine MRT-Untersuchung der Brust sinnvoll. Neue Ultraschall-Methoden werden derzeit entwickelt und erprobt. Doch auch die vielversprechenden Fortschritte der molekularen Biologie erlauben es vorerst nicht, auf die oben genannten bildgebenden Verfahren zu verzichten.
Frauen fürchten das Wort Krebs, weil es historisch mit Todesgefahr assoziiert ist. Deshalb scheuen sich viele Menschen, sich auch nur vorbeugend mit diesem Thema zu befassen. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass Brustkrebs, wenn er früh erkannt wird, heute kein Todesurteil mehr ist und dass nicht immer eine Brustamputation erforderlich ist. Wenn der Tumor früh entdeckt wird, klein ist, langsam wächst und auf eine Hormontherapie anspricht, kann er oft sogar ohne Chemotherapie behandelt werden.
Brustkrebs kann heute in Frühstadien in über 90% der Fälle geheilt werden. Dies darf aber kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu hoffen, dass schon nichts passieren werde. Denn „zu Überleben“ sagt noch nichts darüber, in welcher Lebensqualität dies gelingt.
Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema, mehr Information und eine stärkere Bereitschaft, sich frühzeitig mit dem Thema Krebs auseinanderzusetzen. Weltweit gibt es Beispiele aktiver Projekte: Monumente wie das Colosseum in Rom, die Oper in Sidney oder die Semper-Oper in Dresden werden pink angestrahlt. Es gibt einen Pink Day, einen Pink Run und viele andere Aktionen. Von einigen haben auch wir hier schon berichtet.
Mit diesem Ziel haben wir 2013 den Pink Shoe Day in Leipzig ins Leben gerufen.
*Quelle: Robert Koch Institut
** „[…] dass in der ersten Phase des Programms viele Tumoren deutlich früher entdeckt wurden als ohne Screening. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass der Anteil kleinerer Tumoren (T1) in der Screening-Altersgruppe sichtbar höher liegt als noch vor Einführung des Screenings. Möglicherweise wurden allerdings auch einige Tumoren diagnostiziert, die sonst lebenslang unerkannt geblieben wären und keine Beschwerden verursacht hätten (Überdiagnose).“