Vorwärts, ich will zurück ins Leben

v_grosse_sportschecklauf-0413_ausschnittVolker Große ist Sportler, Manager, Vater von vier Kindern, Mitglied im Vorstand von Haus Leben e. V. und – ehemaliger Krebspatient. Das Foto zeigt ihn (mit der Startnummer 288) beim Sportscheck-Stadtlauf 2006 in Leipzig, das Gesicht gezeichnet von der Krebstherapie, aber entschlossen, die Kontrolle über sein Leben nicht an die Krankheit zu verlieren.

Er ist damit eines der vielen Vorbilder, die Krebspatienten und ihren Familien Mut machen. Hier ist seine Geschichte: 

Laufen gegen den Krebs
von Volker Große

Gelaufen bin ich schon immer, zwischenzeitlich mal recht schnell und erfolgreich. Im Laufe der Jahre, mit zunehmender Kinderzahl und steigender beruflicher Belastung wurden sowohl die läuferischen Ziele, als auch der Trainingsaufwand angepasst. Kein Alkohol, gesunde Ernährung, ich sollte krank werden? Wie denn, wovon denn

 

Nach einer Operation am 01.04.2005 eine Woche später die Diagnose: Krebs, Non Hodgins, also ein Lymphom! Nicht einen Gedanken hatte ich bisher daran verschwendet, dass dies mir passieren könnte. Schlagartig verschieben sich Prioritäten. Von Anfang an standen aber recht praktische Dinge im Vordergrund.

Es ging darum, wie kommen wir, Frau, Kinder, Familie und letztendlich auch ich, durch die Sache durch, wie geht es danach weiter.

 

Drei Tage nach der Diagnose lag ich bereits in der Klinik mit der Aussicht auf 6 Zyklen Chemotherapie, die jeweils 3 Wochen dauern sollten. Die zu verabreichende Dosis der Chemotherapie erlaubte keine ambulante Behandlung.

 

Die Leidensgefährten im Zimmer hatten sich schnell daran gewöhnt, zumindest sagten sie nichts mehr, wenn da einer täglich ein kleines Kraftprogramm und seine Gymnastik im oder am Bett zelebrierte. Die Physiotherapeutinnen gewöhnten sich auch schnell daran, dass jemand in ihrem Umkleideraum das Ergometer wieder zum Leben erweckte. Schnell hatte ich auch heraus gefunden, welche Schwester bereit war mich mal von meinen Schläuchen zu befreien. Dass ich diese Zeit nutzte, um im Friedenspark zu laufen, durfte sie nicht mal ahnen.

 

Ich versuchte jeden Tag etwas zu tun, was nicht immer gelang. Zeitweise ging es mir so schlecht, dass ich nur liegen konnte, vor Übelkeit, Schmerzen oder weil man mich mit Morphium irgendwohin geschickt hatte. Wenn es einigermaßen möglich war etwas zu tun, so tat ich es. Wir trainieren ja auch sonst nicht nur bei schönem Wetter. In der Zeit der körperlichen Betätigung vergisst man die Übelkeit, fühlt sich auch hinterher besser. Ohne es beweisen zu können, bin ich der festen Überzeugung, dass der Erhalt der körperlichen Fitness den Heilungsprozess unterstützt.

 

Irgendwann konnte ich nicht mehr laufen, die Belastung war zu groß. Also die Entscheidung: nur noch Radfahren und Ergometer, die Belastung ist leichter zu steuern. Die Entscheidung, das Laufen zu lassen, bis nach der Behandlung war für mich wichtig, da damit auch ein gewisser Druck, unbedingt laufen zu wollen, von mir abfiel.

 

Nach der Chemotherapie, noch lokale Bestrahlung, Ganzkörperbestrahlung, Hochdosis-Chemotherapie und Transplantation. Danach Anschlussheilbehandlung – endlich frei, zu Fuß raus! Eine schmerzhafte Entscheidung. Die Haut meiner Füße war nach dem langen Klinikaufenthalt widerstandsfähig war wie die Haut eines Neugeborenen. Die Quintessenz waren Blasen, die es mir nur noch erlaubten, mich auf Zehenspitzen zu bewegen. Ansonsten nutzte ich auch hier intensiv das Ergometer und konnte mich auch langsam steigern.

 

Am 26.11. durfte ich nach Hause, der erste Lauf am 27.11. mit unserer großen Tochter, die sonst nur im Schwimmen schneller ist als ich. Wir liefen 6 km, km-Schnitt knapp 7:00. Regelmäßiges Training und gewisse Fortschritte ließen schnell Gedanken an neue Ziele aufkommen. Weshalb nicht endlich den Marathon laufen, den ich seit Jahren vor mir her schiebe? Es wäre doch ein lohnendes Ziel, ihn ein Jahr nach der Transplantation zu laufen. Meine nicht sporttreibende Frau erklärte mir mit recht drastischen Worten, was Sie von dieser Idee hält.

 

Im Laufe der Zeit kamen mir selbst Zweifel an der Umsetzbarkeit dieses Zieles. Tage an denen schnelle Einheiten möglich waren, wechselten mit Tagen, an denen gar nichts ging. Die Grundlagen stimmten einfach noch nicht, die Gesundheit war noch nicht stabil genug für ein derartiges Unterfangen. Bedeutet meine Ziele mussten angepasst werden. Also trainiere ich jetzt auf einen Halbmarathon. Diesen möchte ich am 22.10.2006 in Dresden unter 1:30 laufen will.

 

Am 10.09.2006 lief ich den ersten Wettkampf nach der Krankheit. Beim Sportscheck-Lauf in Leipzig erreichte ich 40:57 über 10 km. Bis zum Schluss habe ich mich gut gefühlt, bedeutet – froher Hoffnung, dass die 1:30 machbar sind. Es sind ja auch noch 6 Wochen Zeit zu trainieren.

 

Was habe ich gelernt aus dieser Zeit: Viele Dinge sind wichtig. Das A und O, neben der medizinischen Betreuung, ist eine funktionierende Familie, die einen unterstützt, für einen da ist, einem den Rücken frei hält, einen auch mal verkraftet.

 

Dem Krebs davon laufen kann man offenbar nicht. Ich bin aber mittlerweile der festen Überzeugung, dass wir Läufer die besten Voraussetzungen haben, die Krankheit zu besiegen. Nicht nur, dass wir mit Sicherheit eine bessere Konstitution haben als ein Großteil der restlichen Bevölkerung. Unsere Einstellung zum Leben, unsere Fähigkeit Schwierigkeiten die Stirn zu bieten, zu meistern, uns zu überwinden, uns auch mal zu quälen befähigen uns, wie niemanden anderen, letztendlich die Krankheit zu besiegen.

 

Für mich ein ganz klares Fazit: Zum Olympiasieg hat es nicht gereicht, das Laufen hat mir aber geholfen den Krebs zu besiegen. Was ist wichtiger?

Volker Große lebt mit seiner Frau Katrin (Foto unten, mit der Startnummer ..12) in der Nähe von Grimma.

Kennen auch Sie Menschen, die nach einer Krebserkrankung ihren Platz im Leben wiederfanden? Erzählen Sie uns von Ihnen, damit ihr Beispiel anderen Menschen Mut machen kann.

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