Ratgeber Internet. Vertrauen ist gut, Mitdenken ist besser.

Gespräch5-1024x574Das Internet ist eine tolle Sache. Es bietet in jeder Lebenslage Informationen, Rat, Zuspruch und Trost. Doch nicht alle Nachrichten passen zur jeweiligen Frage, nicht alle Autoren wissen, wovon sie reden, nicht alle Empfehlungen kommen von Herzen und manche Beiträge kann man eigentlich nur als doof* bezeichnen. Was man beachten sollte, um das Internet im Kampf gegen Krebs zum ehrlichen Verbündeten zu haben.

Ich bin ein großer Fan des Internets. Wann immer ich etwas wissen will, finde ich hier eine Antwort oder zumindest einen Hinweis für weitere Recherchen. Noch vor einigen Jahren war im Vergleich dazu jede Informationsbeschaffung mühsam. Zur Auswahl standen neben dem Arztgespräch hauptsächlich die Regalständer in Wartezimmern und Behördenfluren mit schmalen Informationsbroschüren, für den Laien oft unlesbare Fachliteratur und die Beiträge der Publikumspresse. Das Angebot an Informationen war dadurch besser überschaubar, aber eben auch sehr begrenzt. Konnte keine dieser Quellen die individuell benötigte Information liefern, dann wurde aus Uninformiertheit schnell Unsicherheit und Angst.

Heute hingegen kann sich im Internet jeder zu fast jedem Thema informieren, äußern oder mitreden. Der Nutzer muss aber selbst entscheiden, welchen Informationen er traut und folgt. Da es im Internet keine Gatekeeper mehr gibt (also eine neutrale qualifizierte Redaktion, die Inhalte vor der Veröffentlichung prüft und bewertet), ist diese Form eigenverantwortlicher Informationsaneignung mühsam und gefährlich. Denn sie birgt immer die Gefahr, falsche Informationen aufzunehmen. Dies um so mehr, als wir alle in der Not natürlich die besonders guten Nachrichten besonders gerne glauben wollen.

Die Gratwanderung zwischen valider Information und begründeter Meinung eines Beitrages auf der einen, und Werbung/PR auf der anderen Seite ist oft schmal. So werden in Foren oft Ärzte, Heiler, Medikamente, Behandlungsformen und Kliniken in einer Sprache angepriesen, in der es nur Superlative gibt. Doch sind die Angepriesenen deshalb auch wirklich „gut“?

Unlängst stieß ich auf einen Forumsbeitrag, in dem eine Userin ihre Erfahrungen mit der Krebstherapie in einer bestimmten Privatklinik beschrieb. Die Herren Doktoren erschienen ihr ausnahmslos als überragend kompetent, freundlich und fürsorgend. Das Klinikgebäude passte sich harmonisch in das Landschaftsgefüge ein (Wer achtet auf so etwas, wenn er zur Behandlung einer akuten Krebserkrankung in die Klinik geht?). In diesem und vergleichbaren Fällen überschwänglicher Berichte ist nicht auszuschließen, dass es sich um einen subjektiven parteilichen Beitrag oder um versteckte Werbung handelt. Der Arzt Martin Lambeck fasste das im Handelsblatt so zusammen: „Ein Selbsthilfe-Portal kann ein Werbeladen für die Pharmaindustrie sein“ (Martin Lambeck im Beitrag: Zu Risiken und Krankheiten fragen Sie Dr. Google, Handelsblatt.com vom 15.4.2013).

Bei vielen Beiträgen haben wir als Leser einfach nicht genügend Informationen über den Autor, seine Qualifikationen und Ziele. Wenn zum Beispiel „Susi K.“ in einem Forum nach einem guten Onkologen für ihren kranken Vater fragt, und „Marianne B.“ ihr daraufhin „den Dr. Mustermann“ empfiehlt, dann kann „Marianne B.“:

  • die Frau von Dr. Mustermann sein
  • sie kann aber auch aus eigener positiver Erfahrung im Umgang mit Dr. Mustermann diesen in bestem Wissen und Gewissen empfehlen. Wir als Leser wissen jedoch auch dann noch nichts über die Kompetenz und Motive von Frau B., die Leistungsfähigkeit des empfohlenen Arztes zu beurteilen.

Der Erkenntnisgewinn aus diesem Beitrag ist also gering, wenn man seine Aussagen nicht mit anderen Quellen vergleicht und verifiziert.

Mit etwas Abstand und gesundem Menschenverstand lässt sich dennoch relativ gut unterscheiden, ob man einem Bericht glauben oder ihn zumindest zum Ausgangspunkt weiterer Recherchen machen kann. Je euphorischer die Texte sind und je weniger nachprüfbare Informationen sie bieten, desto kritischer sollte man sie hinterfragen:

  • Wer ist der Autor? Was erfahren wir über ihn, seine Qualifikationen und Motive? Ist er namentlich benannt (überprüfbar, also nicht „Dr. Brown aus New York“, wo es vermutlich 10.000 Dr. Browns gibt) oder schreibt er anonym? Kennzeichnet er seine Aussage als subjektive Meinung („Ich persönlich denke, es ist so …“) oder erhebt er sie zum allgemeinen Stand des Wissens („Es ist so, dass …“)?
  • In welchem Umfeld ist der Beitrag erschienen (wissenschaftliche Einrichtung/Publikation, Einrichtung der öffentlichen Hand/Verwaltung, Unternehmen, privat?
  • Wie ist der Beitrag geschrieben, sachlich abwägend oder überschwänglich polarisierend? Begründet er seine Meinung und belegt er Tatsachenbehauptungen mit überprüfbaren Quellen?
  • Bewirbt der Beitrag direkt oder indirekt eine Person, ein Produkt oder ein Unternehmen? Oder eine Religion?
  • Zudem sollte man natürlich immer versuchen, die Aussagen anhand anderer Quellen zu verifizieren.

* Der Philosoph Norbert Bolz auf die Frage, ob das Internet doof mache (→Link):

„Natürlich gibt es massenhaft Doofheit. Und im Gegensatz zu früher geraten die Doofen jetzt ins Rampenlicht […] Das Medium Internet hat mit Dummheit also überhaupt nichts zu tun, es ermöglicht aber den doofen und oberflächlichen Leuten, auf der obersten Schaumkrone der Weltkommunikation mit zu surfen. Das ist das Neue. Nicht die Dummheit nimmt zu, sondern die Möglichkeit für dumme Leute, an der Weltkommunikation teilzunehmen.”

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