„Heute bin ich blond“

Filmszene aus "Heute bin ich blond"

„Heute bin ich blond“ ist die Verfilmung des gleichnamigen autobiografischen Romans von Sophie van der Stap. Sophie ist 21, als sie die Diagnose Krebs erhält. Der Film nähert sich dem Thema mit Humor, was grundsätzlich sehr gut ist, im konkreten Fall jedoch an einigen Stellen etwas oberflächlich wirkt. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, denn was am Ende zählt, ist die Geschichte seiner Hauptfiguren. Und die präsentieren sich glaubhaft und frei von jedem Pathos. Die Darstellung der Personen, ihre Herangehensweisen an die Bewältigung der Katastrophe, ihre Ängste, Hoffnungen und Wünsche, ihr Humor und ihre Verzweiflung machen den Film wirklich sehenswert (hier geht es zur Webseite mit einem Trailer).

Viele Bilder kommen uns vor wie ein Blick in unsere Rubrik „Sprüche, die ich nicht mehr hören kann“. Eine Schlüsselszene ist die Verkündung der Diagnose. Sie ist dem Arzt genau zwei Sätze am Ende der Befundbesprechung wert: „Es sieht nicht gut aus. Sie haben Krebs“. Keine Zeit für ein „leider“ oder irgendein Anzeichen von Zuspruch oder Anteilnahme. Oder diese Szene: im Chemotherapie-Raum spricht ein alter Mann (ebenfalls Patient) Sophie an: „Sie haben doch Glück, Sie sind jung und kräftig“, worauf Sophie sinngemäß antwortet: Ja, ich bin ein echtes Glückskind, mit 21 Jahren Krebs zu haben.

Auch ihr Umgang mit dem Haarverlust ist recht authentisch dargestellt: „Perücken sind mehr als nur Haare. Dass ich anders aussehe, bewirkt, dass ich mich anders fühle“. Sie verbindet mit jeder Perücke eine andere Persönlichkeit, mit der sie für Augenblicke dem Therapiealltag entkommt, ohne sich krank zu fühlen oder von ihrer Umwelt als krank wahrgenommen zu werden. Wir hatten hier auch schon thematisiert (hier und hier), dass für viele Patienten der Haarverlust nicht nur ein ästhetisches Problem ist. Vielmehr signalisiert er dem Umfeld, dass „etwas nicht stimmt“. So nimmt auch Sophie bei ihrem ersten Gang durch die Klinik ohne Haare wahr, dass jetzt jeder sieht, von welcher Station sie kommt. Und dass dies zur Folge hat, dass viele Menschen sie anstarren, hinter vorgehaltener Hand auf sie zeigen und sie mit Blicken, irgendwo zwischen Mitleid und Scheu angesiedelt, quälen.

Der Film kann die Stimmung des Buches leider nicht ganz aufgreifen. Dass Sophie verschiedene Perücken verwendet, hat hier stellenweise eher die Anmutung eines Kostümfests, ohne die Ernsthaftigkeit der Situation zu erfassen. Es ist auch nicht wirklich realitätsnah, dass Sophie nach 32 Wochen Chemotherapie frisch und sexy aussieht wie das blühende Leben. Wer das Pech hatte, sich einer solchen Tortour unterziehen zu müssen, der könnte das Gefühl haben, die Krankheit würde hier nicht ganz ernst genommen. Auch hier fallen uns spontan Zitate ein, mit denen viele Krebspatienten konfrontiert werden: „Du siehst doch toll aus, da kann es ja nicht so schlimm sein“. Hier eine bedrückend-schöne Auswahl von Sprüchen auf krebskompass.de.

Gleichwohl ist der Film ein gelungener Versuch, dem Zuschauer einen unbeschwerteren Zugang zu eröffnen, und somit vielleicht sogar Auseinandersetzung mit der Volkskrankheit Krebs. Dabei hilft vielleicht sogar seine etwas lebensfremde Inszenierung im Hamburger Wohlstand, die alle wirtschaftlichen und existenziellen Sorgen (Sophie hat im Film schon vor ihrer Diagnose keinen erkennbaren Plan für ihr Studium und ihr Leben) ausblendet, die für sehr viele Krebspatienten zu den Folgeproblemen einer Krebserkrankung gehören dürften.

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